Außerschulische Bildung 1/2024

Hendrik Cremer: Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen

Wie gefährlich die AfD wirklich ist

Zu Beginn des Superwahljahrs 2024 – vor allem in Ostdeutschland – bringt Hendrik Cremer eine Bestandsaufnahme der Alternative für Deutschland (AfD) heraus, die sie in großer Klarheit und Eindeutigkeit als rechtsextreme Partei charakterisiert. Der am Deutschen Institut für Menschenrechte tätige Jurist geht sprachlich und politisch sehr analytisch vor, um dann – fast im Stil eines Gerichtsurteils – immer wieder zu der klaren Bewertung zu kommen, dass die AfD eine Partei ist, die die Menschenwürde vieler in Deutschland lebender Menschen nicht achtet, Gewalt befürwortet und die Grund- und Menschenrechte systematisch in Frage stellt.

Cremer beklagt, dass der fortgeschrittene Prozess der Radikalisierung der AfD im öffentlichen Diskurs nicht abgebildet werde. Der Autor selbst hat in einer Veröffentlichung des Deutschen Instituts für Menschenrechte reichlich Argumente für ein Verbot der AfD geliefert und wiederholt dies mit einer anderen Herangehensweise auch im Buch. Er spricht sich in der aktuellen Situation jedoch nicht ausdrücklich für ein Verbotsverfahren aus, sondern weist darauf hin, dass bis zu einem möglichen Verbot „noch eine erhebliche Zeit vergehen“ (S. 13) würde, dies also für das anstehende Superwahljahr keine sinnvolle Option mehr darstelle.

Gleich zu Beginn nimmt Cremer – wie auch im weiteren Verlauf immer wieder – Bezug auf den Nationalsozialismus. Solche wiederholten Referenzen – manchmal ist sogar das Wort NS-Vergleich angemessen – wollen gut begründet sein. Dies gelingt Cremer unter anderem, indem er insbesondere bei Björn Höcke sprachanalytische Bezugnahmen auf den NS-Sprachjargon aufzeigt. Höcke widmet Cremer dann auch ein eigenes Kapitel, das passenderweise auf Seite 88 beginnt. Er stellt ihn als die eigentlich prägende Figur der Partei in Bezug auf Ideologie, rechtsextreme Ausrichtung und Gewaltbereitschaft dar. Cremer beschreibt auch seinen sehr deutlichen Einfluss auf den Verlauf von Parteitagen und Listenaufstellungen, den er trotz seiner formalen Position als Thüringer Landespolitiker aus dem Hintergrund bundesweit ausübt.

Cremer fordert die „längst überfällige Einstufung der AfD als ‚erwiesen rechtsextremistische Bestrebung‘“ (S. 14) ein, denn die „AfD erhebt den totalitären Anspruch, Menschen zu Objekten zu degradieren, nach Gutdünken über sie zu entscheiden und zu verfügen“, „was Deportationen deutscher Staatsangehöriger einschließt“ (S. 13). Die Verwendung des vorbelasteten Terminus „Deportation“ mag wie die bewusste Verwendung eines Kampfbegriffs wirken, um Abscheu zu erzeugen. Dem Autor gelingt aber die Gratwanderung zwischen einer Augenöffnung durch klare Einordnung der AfD-Positionen und ihrer übermäßigen Skandalisierung, indem er seine Urteile sprachanalytisch und politisch-inhaltlich herleitet und begründet, auch mit einem Verweis auf offene Bekenntnisse zu nationalsozialistischer Ideologie und Begriffswelt sowie die wiederholte Bagatellisierung nationalsozialistischer Verbrechen und einer Ablehnung von Erinnerungsarbeit durch die AfD.