Außerschulische Bildung 1/2020

Jennifer Schellhöh/Jo Reichertz/Volker M. Heins/Armin Flender (Hrsg.): Großerzählungen des Extremen

Neue Rechte, Populismus, Islamismus, War on Terror

Was macht radikale Weltbilder attraktiv? Weshalb finden extremistische Narrative in vielen Milieus gegenwärtig großen Anklang? Wie sollen die Kulturwissenschaften mit den Grenzüberschreitungen und Gewalthandlungen umgehen, die darin nahegelegt und gerechtfertigt werden? Diese Fragen haben das Kulturwissenschaftliche Institut Essen im Winter 2016/2017 veranlasst, eine Veranstaltungsreihe durchzuführen, aus der der vorliegende Band hervorgegangen ist.

In vier Kapiteln beschäftigt sich der Sammelband mit den Narrativen der Neuen Rechten, des Populismus, des Islamismus und des War on Terror. Für jeden dieser Diskurse könne eine Erzählung identifiziert werden, die als solche erkennbar ist und Zugehörigkeit und Gemeinschaft signalisiert. In Verbindung mit politischen, intellektuellen und religiösen Motiven reduzierten die extremistischen Narrative „die Vielfalt möglicher Weltdeutungen auf nur eine einzige“ (S. 8) in ihre Anhänger überzeugender Weise. Dadurch würde die Welt als Ganzes erschlossen und die jeweiligen Narrative als Gegenbewegung zu einer universalistisch angelegten Rationalität konzipiert.

Im ersten Kapitel wird das Narrativ der Neuen Rechten analysiert. Die Neue Rechte vermeide es, sich auf den Nationalsozialismus zu beziehen und sich explizit rassistischer Argumente zu bedienen. Angelehnt werde sich an die These einer konservativen Revolution (Mohler) mit ihrer Absage an den Universalismus und dem Plädoyer für einen radikalen Relativismus. Zentral ist das Konzept des Ethnopluralismus, das die Verschiedenheit der Völker zwar nicht negiere, für das aber grundlegend sei, dass alle ein Recht hätten, in ihrer Verschiedenheit als mehr oder weniger homogene Völker mit einer einheitlichen Kultur erhalten zu bleiben. Der Begriff Kultur trete an die Stelle von Rasse und zynisch heiße es, man liebe das Fremde, aber in der Fremde. So werde die vollständige Ablehnung von Zuwanderung begründet und die These vom großen Austausch: Politische und ökonomische Eliten hätten das heimliche Ziel, die eigene Bevölkerung durch Zuwanderung auszutauschen.

Geschichte und aktuelle Wirkmächtigkeit des Populismus steht in Zentrum des nächsten Kapitels. Die Spuren populistischer Strömungen ließen sich in den USA bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen. In Europa sei der Populismus als Massenphänomen eine relativ neue Erscheinung. Kritik an einer zu hohen Abgabenlast, Wohlstandschauvinismus, Wut auf politische Eliten, bürgerferne Politik werden als Faktoren benannt, die den Populismus in Europa befördert haben. Kennzeichnend im populistischen Diskurs seien Gegensätze zwischen städtischen Zentren und ländlichen Regionen, zwischen „christlichem Abendland“ und Islam, zwischen oben und unten, zwischen Eigenem und Fremdem. Zum Erfolg des Populismus habe die Aufmerksamkeitslogik der Massenmedien beigetragen, die der Logik des Populismus systemisch affin ist. Populisten seien schrille Gestalten, die gerne mit Tabus spielen und Skandale produzieren, sie wecken Emotionen und dramatisieren Zusammenhänge, die sie radikal vereinfachen.