Zur Politik der Demokratiebildung
In einer politischen Konstellation, die die baldige Entstehung eines Demokratiefördergesetzes erwarten lässt, ist die Studie von Julika Bürgin geeignet, einige Rahmenbedingungen kritisch auszuleuchten: Was geschieht eigentlich, wenn der Staat mittels gesellschaftlicher Akteure Extremismus zu bekämpfen bzw. zu verhindern sucht?
In den seitens der Bundesregierung implementierten Demokratiebildungs- und Antiextremismus-Programmen der letzten Jahre spielte sie eine zentrale Rolle: Die Frage, ob und wie die unter diesem Etikett geförderten Projekte und Institutionen jeweils ihre eigene Verfassungstreue nachzuweisen haben. Bürgin, die an der Hochschule Darmstadt lehrt und über Berufserfahrungen in der politischen Bildung verfügt, hat die durchgeführten Programme – „Xenos“, „Vielfalt tut gut“, „Toleranz fördern“, „Demokratie leben“ usw. überschrieben – sowie deren Evaluationen, rechtliche und pädagogische Debatten darüber untersucht und sechs Aktive aus Bildungs- und Verbandsarbeit ausführlich interviewt mit dem Ziel, die hier neu entstandenen Grauzonen zwischen staatlicher und zivilgesellschaftlicher Aktivität zu beleuchten.
Sie beginnt mit einer kritischen Analyse des Extremismus-Begriffs, der unter Berufung auf Grundgesetz und Verfassungsgerichtsurteile herangezogen, aber meist in den simplifizierenden Denkschemata der Verfassungsschutzbehörden angewandt wird. Gerade die (insbesondere in Hessen praktizierte) Forderung, Träger und auch deren Mitarbeiter*innen auf ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen, geriet beinahe zwangsläufig in den Definitions-Windschatten der „Ämter“. Indem aber Bildungsprozessen solche Freund-Feind-Bilder und auch Umerziehungsambitionen übergestülpt werden, indem die aus Berufsverbote-Zeiten berüchtigte „Regelanfrage“ zurückkehren könnte, drohen zentrale Qualitätsmerkmale politischer Bildung wie Kontroversität, Diversität, Experimentierraum für Deutungsversuche verlorenzugehen.
Die Argumentation von Julika Bürgin kann hier angemessen nicht wiedergegeben werden, sondern nur einige Schritte ihrer Analyse benannt. Sie rekapituliert die Entwicklung der Bundesprogramme, die in Hessen gemachten Erfahrungen mit einer Verfassungsschutzüberprüfung von Förderanträgen sowie grundsätzlich die Verständnisse von Extremismus und gesellschaftlichen „Rändern“. Wie viel „Staatsfreiheit“ ist eigentlich noch möglich, wenn sich Sozialstaat und zivile Sphäre zunehmend verschränken? Auch das Phantasma eines vermeintlichen „Neutralitätsgebots“ für politische Bildner*innen wird behandelt, ebenso die systematischen Blickverengungen, die eine Orientierung an der „Wehrhaftigkeit“ für die politische Bildung mit sich bringen würde.