Außerschulische Bildung 3/2023

Susanne Reitmair-Juárez/Dirk Lange (Hrsg.): Das Politische in der Demokratiebildung

Zu Partizipation und Handlungsräumen mündiger Bürger*innen

Ziele, Methoden und die zugrundeliegenden Prinzipien politischer Bildung und Demokratiebildung seien permanent in Bewegung, wird in der Einleitung dieses Sammelbands behauptet. Konzepte würden immer wieder neu gedacht, erstritten, mit Leben gefüllt, weiterentwickelt. Entwicklung dürfe jedoch nicht linear z. B. in Richtung mehr Demokratie gedacht werden, denn Rückschritte seien nicht auszuschließen.

Die Beiträge des Sammelbands sind im Umfeld des Demokratiezentrums Wien und des Instituts für Didaktik der Demokratie an der Universität Hannover entstanden. Inhaltlich kreisen die Texte um das Konzept einer „Inclusive Citizenship Education“. Es geht um neue Facetten einer erweiterten Partizipation, um Demokratiebildung als Beziehungspraxis, um politische Aktionen bzw. um innovative Formen politischer Praxis. Der Band ist in vier Abschnitte strukturiert.

Im ersten Teil werden zunächst zentrale Begriffe politischer Bildung reflektiert: Mündigkeit als Ziel (im Kontext gesellschaftlicher und subjektiver Realisierungsbedingungen), lebendige Macht (Handeln sozialer Gruppen) und materialisierte Macht (politische Institutionen), Herrschaft als fremde Macht. Es folgt eine luzide Analyse der Krise der Demokratie unter Bedingungen der Globalisierung.

Zum Abschluss der theoretischen Beiträge wird das Konzept der „Inclusive Citizenship Education“ präsentiert. Sie ist für die Autor*innen kein abgeschlossenes Konzept, sondern „eine Herausforderung, die politische Bildung neu zu vermessen (im Original), sodass ihre impliziten und expliziten Prämissen und Ziele den migrationsgesellschaftlichen Realitäten und Subjekten“ (S. 57) gerechter werden. Grundlegend ist ein umfassender Begriff von Inklusion. Citizenship wird als Doppelcharakter von Act und Status verstanden. Menschen haben als Staatsbürger*innen Rechte und insbesondere diejenigen, denen diese Rechte vorbehalten werden, reklamieren in vielfältigen Praxen die Anerkennung ihrer Citizenship. In diesem Sinn sei Citizenship von egalitären und emanzipatorischen Prozessen und Kämpfen zwischen denen, die ihre Privilegien (Status) schützen und denen, die ihre Marginalisierung überwinden wollen, geprägt. Handeln drücke sich in ungewöhnlichen Acts of Citizenship aus, in denen Ungleichheit, Diskriminierung und vorbehaltene Anerkennung in der Perspektive problematisiert würden, um diese sukzessive abzubauen. In den Blick kämen alltägliche Prozesse und subtile Praxen von Protest und Widerstand. Als Beispiele für ungewöhnliche Praxen werden Trauerakte an den EU-Grenzen zu ertrunkenen Geflüchteten, die Black Live-Matters-Bewegung oder Slogans wie „Say their names“ im Kontext rechtsextremen Terrors genannt. Aufgabe der politischen Bildung sei, Subjekte als verstrickt in Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu reflektieren und diese gleichzeitig als herausfordernd und transformierend zu denken. Grundlegend ziele Inclusive Citizenship Education auf Empowerment.