Außerschulische Bildung 2/2022

Thomas Hartmann/Jochen Dahm/Frank Decker (Hrsg.): UTOPIEN

Für ein besseres Morgen

In dieser Aufsatzsammlung werden politische Utopien mit einem realen Zusammenhang zu den aktuellen Problem- und Krisenlagen dargestellt. Sie hinterfragen die gesellschaftlichen Verhältnisse im Hinblick auf eine bessere Zukunft. Dieser Band ist entstanden aus einer Ringvorlesung 2019/2020 der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kooperation mit dem Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie an der Universität Bonn.

Dementsprechend stammen die Autor*innen im weitesten Sinne aus dem „sozialdemokratischen“ Umfeld. So verstehen die Herausgeber Utopien als Gradmesser für emanzipatorische Veränderungen in der gegenwärtigen Zeit des Umbruchs. Daher böten die Utopien die Chance zur Veränderung und Neuorientierung. Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans plädieren in ihrem Beitrag für ein Verständnis von Utopien als Aufforderung zum pragmatischen Handeln. Allerdings seien die gesellschaftlichen Veränderungen nicht mit einem revolutionären Umsturz, sondern durch stetige Reformen zu erzielen. Sie warnen vor einem weiteren Auseinanderfallen der Gesellschaft, ergreifen Partei für Gerechtigkeit, Wohlstand, Bildung und Teilhabe für alle. Eine gerechte Gesellschaft mit weniger Ungleichheit sei glücklicher, so das Fazit der SPD-Politiker.

Der österreichische Journalist Robert Misik stellt einen historischen Bezug zur Utopie des Humanisten Thomas Morus aus dem 15./16. Jahrhundert zur Zeit der Renaissance her. Dieser entwarf das Bild eines gerechten Sozialstaats basierend auf Vernunft und Gleichheit der Bürger*innen. Dies sei ein literarischer Entwurf, der einerseits eine utopische Utopie als Träumerei darstelle, aber andererseits auch einen subversiven Charakter beinhalte, so Misik. Letzteres sei stets ein Motiv der Arbeiterbewegung als Reformbewegung gewesen. Dabei setzt Misik nicht auf die utopische Utopie von Marx als radikalem Umsturz, sondern auf Transformation hin zu einem demokratischen Sozialismus. Schließlich hätte die Arbeiterschaft in der Geschichte mittels gemäßigter Radikalität konkrete Utopien verwirklicht und sich nicht in realitätsfernen Zielen verloren.

Der französische Historiker Pierre Rosanvallon beschreibt seine Utopie ebenfalls als eine fortschreitende Reform hin zu einer Gesellschaft der Gleichen. Diese basiere auf der Anerkennung der Einzigartigkeit der Individuen und der Gegenseitigkeit der Menschen untereinander im Sinne von gleicher Behandlung, Teilhabe sowie auf sozialer Gemeinschaftlichkeit. Das ist für ihn die Basis einer Gesellschaftspolitik. Der Tübinger Philosoph Otfried Höffe erweitert die nationale durch eine internationale Gesellschaftsordnung. Er verweist auf die Notwendigkeit einer Weltrechtsordnung, die mit der Anerkennung der Menschenrechte als weltweit gültige Rechtsprinzipien verbunden sei. Diese Weltrechtsordnung müsse durch zwischenstaatliche Verträge und durch die Ergänzung der nationalen Bürgerrechte geschaffen werden. Diese würden nicht abgelöst, sondern durch das Weltrecht erweitert, sodass eine Weltrepublik auf rechtlicher Basis entstehe.