Eine Einführung
Verlag Barbara Budrich, 250 Seiten
Historisch etwas weit ausholend und thematisch mäandernd liest sich der Einstieg in dieses Buch zum Thema professionelles Handeln im Unterschied zu beruflichem Handeln. Aber dieser Einstieg mag für Studierende, für die dieses Buch in erster Linie geschrieben ist, durchaus geeignet sein. Dabei unterscheidet der Autor kollektive und individuelle Professionalisierung, deren Kern darin besteht, dass es sich um eine stellvertretende Krisenlösung handelt – was Helsper auch explizit für den Bildungsbereich gelten lässt. Die Professionalisierung realisiert sich in den Ebenen Ausbildung (= Studium), Praktika, Felderfahrung und Fortbildung, wobei er dem Studium in den pädagogischen Feldern die wichtigste Rolle zuspricht.
Nach einer relativ trockenen Übersicht über die unterschiedlichsten professionstheoretischen Ansätze widmet er sich der pädagogischen Professionalität, deren Kern er in der Vermittlung von Theorie und Praxis verortet, mit dem Studium als entscheidende Grundlage. In der Ausübung der Profession kommt es zur Differenzierung von Wissen und Können, wo blitzschnelle Entscheidungen aus der Fülle des Allgemeinen im je einzelnen Fall getroffen werden müssen. Fallrekonstruktion und berufliche Routinen kennzeichnen diese Ebene, die durch die (berufs-)grafischen Erfahrungen kumulativ vergrößert wird. Ausführlich geht er auf die Notwendigkeit des Arbeitsbündnisses mit der Klientel und den Besonderheiten in Zwangskontexten ein, von der Schulpflicht bis zur Heimsituation. Auch für den letztgenannten Bereich arbeitet Helsper heraus, dass es viele Beispiel gelungener Vertrauensbeziehungen auch in diesem Kontext geben kann.
Viel Raum nimmt in seiner Veröffentlichung die Definition von pädagogischen Antinomien und pädagogischen Dilemmata ein – in seiner Ausführlichkeit nicht nur ein Gewinn für Studierende, sondern auch für die pädagogische Praxis. In einem gesonderten Kapitel geht er auch auf die Erwachsenenbildung ein. Nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene sehen sich – mit Verweis auf Rosa (2005) und Reckwitz (2017) – zunehmend Entscheidungskrisen in Modernisierungsprozessen ausgesetzt, die unsere Vorstellung von Erwachsensein verändern. Neben sinnsuchenden Bildungsmotiven verzeichnet er auch eher sachliche Bildungsmotive, von der Fremdsprache bis zur beruflichen Weiterbildung. In unterschiedlichem Maße vereinen diese Motive hingegen, dass die Professionellen es mehr oder minder mit Selbstbildnern zu tun haben, die im Bildungssetting eher ein beratendes Arbeitsbündnis eingehen.
Zu den aktuellen Entwicklungen im Feld pädagogischer Professionalität konstatiert Helsper eine gegenläufige Entwicklung: einerseits eine Relativierung des Professionellen, andererseits ein erhöhter Bedarf an Professionalität. Sich stützend auf Antony Giddens Theorie der „reflexiven Moderne“ spricht er von der Rückkehr des Wissens in den Alltag der Klientel der Professionellen. Deren Expertenwissen wird zunehmend weniger exklusiv: Ratgeber, digitales Wissen und Chatkommunikation ermöglichen eine Steigerung des individuell verfügbaren Wissens, mit allen bekannten Vor- wie Nachteilen. Der Profession der Sozialen Arbeit ergeht es nicht anders als der Profession der Ärztin oder des Lehrers. Mit Verweis auf Gross (1985) und Schütze (1992) empfiehlt er den Begriff der „bescheidenen Profession.
Während Helsper diese Entwicklung mit Hinblick auf professionelles Expertenwissen und -können lediglich als Protoprofessionalisierung des Klientels konstatiert, sieht er andere Faktoren als wesentlichere Deprofessionalisierungsfaktoren (S. 289 ff.). Darunter zählen: Ökonomisierung verstanden als Privatisierung einst staatlicher Aufgaben, wie seit in Krafttreten des SGB VIII möglich und als Folge diverser EU-Richtlinien (Ausschreibung von Bildungsleistungen); Prekarisierung der Mitarbeitenden v. a. durch Projektstellen und zeitliche Befristungen, die eine Entwicklung der Berufsbiografie nur eingeschränkt ermöglichen; „Die Vermessung des Sozialen“ durch Standards, Normierung und Normalisierung; Neue Steuerungsmodelle, in der Input (z. B. Zuschüsse, Personal) ersetzt wird durch Output Steuerung, die die Ziele vorgibt; Und schließlich durch Entgrenzungsvorgänge auf der Ebene der pädagogischen Institutionen bzw. der Handelnden selbst: Grenzüberschreitungen bis hin zu sexueller Gewalt.
Dennoch verfällt Helsper nicht in dystopischen Zuschreibungen für die Zukunft der Profession: „Somit geht paradoxerweise die Erosion der Profession mit einem wachsenden Bedarf nach pädagogischer Professionalität und damit verbundener kollektiver und individueller Professionalität einher.“ (S. 359) Einerseits schaut das Klientel (der Leistungsempfänger, die Schülerin, die Teilnehmenden) immer kritischer, ob die versprochenen Leistungen auch erbracht werden, andererseits nehmen die gesellschaftlichen Aufgaben zu, wie die ununterbrochene Steigerung der Zahl der Fachkräfte beweist.