Außerschulische Bildung 2/2023

„So hat noch nie jemand mit mir darüber gesprochen!“

Politische Bildung mit Menschen mit Behinderung am Beispiel einer Bildungsreise nach Strasbourg

Außerschulischen Bildungseinrichtungen, die ein Bildungsangebot für Menschen mit Behinderung realisieren wollen, stellt sich die Frage, welche Dinge es dabei zu beachten gilt. So setzte sich auch die Akademie Frankenwarte Würzburg im Rahmen des von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderten Modellprojekts „Wer braucht denn Demokratie? Niedrigschwellige, aufsuchende politische Bildung für schwer erreichbare Zielgruppen entwickeln, durchführen und evaluieren“ mit der Planung und Durchführung einer Bildungsreise nach Strasbourg auseinander. In diesem Beitrag werden exemplarische Herausforderungen, die in diesem Prozess zu bewältigen waren, reflektiert. von Stephanie Böhm, Michael Görtler, Charlotte Palatzky, Maximilian Ruppert

Politische Bildung mit Menschen mit Behinderung

Die Bedeutung politischer Bildung für die Demokratie und die Bürger*innen, welche die Demokratie lernen und leben müssen (vgl. Negt 2010), scheint in keinem guten Verhältnis zur Teilnahme von Erwachsenen an politischen Bildungsangeboten zu stehen. Diese Einschätzung spiegelt sich in einschlägigen Analysen wider, wie etwa der Weiterbildungsstatistik oder der Volkshochschulstatistik (vgl. Horn et al. 2021; Huntemann et al. 2021), die neben anderen Aspekten auch die Teilnahmequote von Erwachsenen an entsprechenden Veranstaltungen analysieren. Dieser Befund würde vermutlich noch schlechter ausfallen, wenn die politische Bildung mit Menschen mit Behinderung bzw. die Teilnahmequote dieser Zielgruppe einer genauen Untersuchung unterzogen würde. So macht ein Blick in die Fachliteratur zur politischen Bildung und ihrer Didaktik deutlich, dass es sich bei der politischen Bildung mit Menschen mit Behinderung um einen Randbereich handelt, der im engeren Sinne im Kontext des Diskurses um eine inklusive politische Bildung (vgl. Meyer et al. 2020) und eine Didaktik inklusiver politischer Bildung (vgl. Dönges et al. 2015) und im weiteren Sinne im Diskurs um eine inklusive Bildung (vgl. Expertenkreis Inklusive Bildung der Deutschen UNESCO-Kommission 2019) und eine inklusive Didaktik (vgl. Reich 2014) eingebettet ist. In diesen Diskursen steht die formale Bildung bzw. Didaktik einer formalen Bildung jedoch klar im Fokus, wie auch die bildungspolitische und wissenschaftliche Diskussion um Inklusion an Schulen bzw. inklusive Schulen unterstreicht.

Politische Bildung mit Menschen mit Behinderung ist in der Praxis in unterschiedliche pädagogische Kontexte eingebettet, wie die Transferstelle für politische Bildung mit ihrer „Topographie der Praxis“ (Transfer für Bildung 2021) veranschaulicht. Dies betrifft beispielsweise die Schnittstellen von politischer Erwachsenenbildung und politischer Jugendbildung bzw. Sozialer Arbeit mit Erwachsenen und außerschulischer politischer Jugendbildung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe, welche gemeinsame Ziele (z. B. Empowerment, Partizipation) verfolgen. Dieser Überschneidungsbereich fällt aufgrund der Träger- und Angebotsstruktur der non-formalen politischen Bildung bzw. Sozialen Arbeit sehr heterogen aus und gilt als wenig erforscht (vgl. Thimmel/Schäfer 2020).