Terminologische Annäherung, Verortung und Fragen an die politische Bildung
Vielfalt fassen – Ein strukturierendes Modell für eine Annäherung an den Begriff „Solidarität“ für die politische Bildung
In der Didaktik der politischen Bildung ist Solidarität ein Klassiker und findet sich bereits bei Hermann Giesecke (1965) als eine der elf Kategorien für die Analyse politischer Sachverhalte (vgl. Gieseke 1965, S. 109; Reinhardt 2000, S. 288) – wobei nach Giesecke das politisch ist, „was in einer Gesellschaft umstritten ist oder wird“ (Giesecke 1965, S. 100). Diskurse über Solidarität sind von jener Umstrittenheit stark geprägt. Es werden sowohl Perspektiven über Ausgestaltung und Geltungsbereich der Solidarität als auch wissenschaftliche Definitionen sehr divers diskutiert.
Der ursprünglich im römischen Recht entstandene Begriff „obligatio in soldium“ – die Schuld oder Verpflichtung, die eine Person gegenüber der Gesamtheit, der er angehört, zu übernehmen hat (vgl. Kneuer/Masala 2014, S. 7), hat im politischen Kontext seine Wurzeln in Diskursen in Folge der Französischen Revolution. Hier löste Solidarität den Begriff der „Brüderlichkeit“ zunehmend ab und ersetzte ihn (vgl. Bayertz 1998, S. 11). In der Soziologie, die in dieser Zeit aufstrebte, entwickelte sich die Rede über Solidarität von einer makrosoziologischen Beschreibungskategorie (u. a. Auguste Comte und später Émile Durkheim) hin zu einem Terminus technicus, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt moderner arbeitsteiliger Gesellschaften zu fassen und zu erklären (vgl. Kracht 2017, S. 74).