Außerschulische Bildung 4/2023

Statement

Wo sehen Sie im Kontext von Gender und Diversity die größten Herausforderungen für die Gesellschaft?

Aktuell gibt es einen Rechtsruck in Deutschland (und Europa) und auch die Gewaltbereitschaft gegen Menschen, die als anders und „fremd“ wahrgenommen werden, ist gestiegen. Insbesondere migrierte, geflüchtete und FLINTA-Personen (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen) aus Einwanderungsfamilien sind dabei verschiedenen Diskriminierungsformen gleichzeitig ausgesetzt. So sind schutzsuchende Frauen beispielsweise oft auf sich gestellt, um mit akuten Bedrohungen und psychischen Belastungen umzugehen, und geraten oft in eine Spirale der Gewalt. Es ist längst überfällig, die Erfahrungen und Lebensrealitäten von Migrant*innen ernst zu nehmen!

Deswegen möchte DaMigra e. V. mit dem Projekt women rais.ed von Rassismus betroffene Migrantinnen, geflüchtete FLINTA und FLINTA aus Einwanderungsfamilien stärken. So wurden beispielsweise für Schülerinnen geschützte Räume geschaffen, in welchen sie ihre eigenen Erfahrungen teilen können. Das Ausprobieren und Anwenden von Argumentationsstrategien ermutigt sie dazu, auf diese auch im Alltag zurückzugreifen.

Rassismus zu bekämpfen ist aber nicht in erster Linie die Aufgabe und Verantwortung der Betroffenen selbst! Als größte Herausforderung sehen wir es, die Menschen und Institutionen der Dominanzgesellschaft, die selbst von Diskriminierungsstrukturen profitieren, in die Pflicht zu nehmen. Sie sollten die Verantwortung tragen, ebenjene Strukturen zu sehen und sie zu bekämpfen. Insbesondere dann, wenn es darum geht, Handlungsfähigkeit zu ermöglichen und von Rassismus betroffene Menschen zu ermächtigen, sind auch Nicht-Betroffene gefragt – deswegen entwickelt women rais.ed auch Angebote, die sich an die Dominanzgesellschaft richten und diese für FLINTA- und migrationsspezifische Themen sensibilisiert.

Insbesondere Kindertagesstätten, Grundschulen, weiterführende Schulen und Hochschulen müssen in die Bekämpfung der verschiedenen Formen von Rassismus und Diskriminierung einbezogen werden. Politik und Bildungseinrichtungen müssen nachhaltige Strategien entwickeln und Handlungsfähigkeit ermöglichen, um Bildung diskriminierungskritisch zu gestalten. Lehrende und Erzieher*innen müssen rassismusskritisch qualifiziert sein: Lehrpläne, Schulmaterial und Schulbücher sollten nicht nur anti-rassistisch und antikolonial konzipiert werden, sondern Rassismussensibilität als ein obligatorisches Kriterium aufnehmen und eine intersektionale Perspektive auf Diversity ermöglichen. Dafür hat sich das Team von women rais.ed im Laufe der aktuellen Kampagne „Rassismus im Bildungssystem“ mit Expertinnen getroffen, die unter anderem konkrete Handlungsstrategien zur Erreichung dieses Ziels vorschlagen.