Außerschulische Bildung 1/2023

Transformatorische Gemeinschaften im ländlichen Raum

Ökodörfer und intentionale Gemeinschaften als Lernorte für Nachhaltigkeit und politische Bildung?

Transformatorische Gemeinschaften im ländlichen Raum. Was ist damit gemeint? Welche Art solcher Bewegungen gibt es? Woran sind Veränderungen erkennbar und welche Möglichkeiten und Potenziale liegen darin für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung und politische Bildung? Im Beitrag wird der Begriff von intentionalen, transformativen oder nachhaltigen Gemeinschaften im ländlichen Raum beleuchtet. Im Fokus stehen der Transformationsbegriff und das sich daraus ergebende Potenzial für politische Bildung. Zudem wird die Zusammenarbeit mit lokalen Autoritäten und damit verbundene Herausforderungen dargestellt und ein kritischer Blick auf gemeinschaftsorientierte Tendenzen im ländlichen Raum geworfen. von Anne-Kathrin Schwab

Mit Transformation im Sinne der Nachhaltigkeit werden häufig demokratische und partizipative Bottom-Up-Initiativen verbunden, beispielsweise Transition Town-Projekte oder intentionale Gemeinschaften. Sie sind Experimentierfelder und „Lernorte für morgen“ und wirken politisch und zukunftsgestaltend alleine durch ihre Existenz, als eine Möglichkeit einer nachhaltigeren Lebensweise innerhalb einer nicht-nachhaltigen Gesamtgesellschaft. Allerdings gibt es auch ökologische, gemeinschaftliche und „heimatverbundene“ Tendenzen, eher einer gelebten Dystopie statt Utopie gleichend. Mission, Vision und Ziele von intentionalen Gemeinschaften sind immer wieder zu hinterfragen und fortlaufende Prozesse, mit denen sich die gemeinschaftsbasierten Initiativen und Interessenten auseinandersetzen müssen.

Was sind transformative Gemeinschaften im ländlichen Raum?

Gemeinschaften auf der Suche nach einer alternativen und bewussteren Lebensweise gibt es bereits seit langer Zeit. Transformative Gemeinschaften bestehen seit über 100 Jahren, wie z. B. Monte Verita. Religiöse Gruppen wie die Armish oder Hutterer gibt es seit dem 17. Jahrhundert. Im Kontext von Ökodörfern wird auch von intentionalen Gemeinschaften gesprochen (vgl. Litfin 2014). Während die modernen Wurzeln der heutigen Ökodörfer und anderer Formen von alternativen Lebensgemeinschaften in den 1960er und 1970er Jahren als Kritik an westlichen, neoliberalen Gesellschaften und Ökonomien zu finden sind, gibt es unterschiedliche Definitionen zum Wesen alternativer, politischer, intentionaler Gemeinschaften oder Ökodörfer.

Eine der ersten und gängigen Definitionen von Ökodörfern bieten Gilman/Gilman: Ein Ökodorf kann als eine Siedlung menschlichen Maßstabs verstanden werden, die sich unbedenklich in die Natur integriert und auf eine bestimmte Art, eine gesunde menschliche Entwicklung befördert und somit erfolgreich in die unbestimmte Zukunft fortgesetzt werden kann. Mit anderen Worten, ein Ökodorf ist eine friedliche, sozial gerechte und nachhaltige Gemeinschaft (vgl. Gilman/Gilman 1991, S. 1). Diese Definition beschreibt eher eine visionäre Zielformulierung als einen Ist-Zustand, denn in den gegenwärtigen Gemeinschaften finden permanent Aushandlungsprozesse über Ziele, Vision und Mission statt (vgl. Schwab 2020).

Eine unter Akteuren der Bewegung ausgehandelte und diskutierte Definition bietet das Europäische Netzwerk der Ökodörfer (GEN Europe): Ein Ökodorf ist eine intentionale, traditionelle oder städtische Gemeinschaft, die bewusst gestaltet wird, durch lokal geführte, partizipative Prozesse in allen vier Bereichen der Nachhaltigkeit (Soziales, Kultur, Ökologie und Ökonomie), um ihre soziale und natürliche Umwelt zu regenerieren (vgl. GEN Europe 2022).

Weitere Eigenschaften von Ökodörfern sind das Streben nach einem lokalen Bezug (vgl. Wagner 2013, S. 216 ff.; Lifitin 2014; Singh et al. 2019), sowie ein allgemein nachhaltiges oder ökologisch bewussteres Verhalten in Gruppen und als Individuen (vgl. Wagner 2013, S. 216; Daly 2017; Sherry 2019). Neben Ökodörfern, die sich an den Prinzipien von GEN orientieren und sich dem Netzwerk zugehörig fühlen, gibt es unterschiedlichste Arten von intentionalen nachhaltigen Lebensgemeinschaften im ländlichen Raum. Beispiele sind politische Kommunen, die sich innerhalb des deutschen Netzwerkes Kommuja organisieren, anthroposophisch geprägte Gemeinschaften oder auch spirituelle Gemeinschaften wie Ashrams oder Klöster der unterschiedlichsten Richtungen, die sich vernetzen und spirituelle Praktiken in ihr Zentrum setzen. Neuere Entwicklungen zeigen, dass sich auch völkische Siedlungen ökologisch und bottom-up als gemeinschaftsbasierte Initiativen im ländlichen Raum positionieren und politisch agieren (vgl. Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen e. V. 2020).

Kommune gASTWERKe Foto: Steffen Emrich

Die Unterschiede können an dem politischen oder spirituellen Selbstverständnis, am Gründungsimpuls, sozusagen der Vision und Mission und nicht zuletzt an der Vernetzung mit dem jeweiligen Netzwerk festgemacht werden. Die „Theory of Change“ oder die Richtung der Intention der jeweiligen gemeinschaftsbasierten Initiativen, um Gesellschaft von unten heraus zu transformieren, spielt hierbei eine gravierende Rolle.

Transformation im ländlichen Raum

Transformation und gesellschaftlicher Wandel sind im Zeitalter des Anthropozäns eine Notwendigkeit, damit die Erde für Menschen bewohnbar bleibt. Der Terminus wird von unterschiedlichen Akteuren in unterschiedlichen Kontexten genutzt (vgl. Crutzen et al. 2011). Die Politikwissenschaft verwendet den Begriff der Transformation im Kontext des Wechsels der politischen Grundordnung. Karl Polanyi beschrieb die „Große Transformation“ als tiefgreifenden Wandel der westlichen Gesellschaftsordnung im 19. und 20. Jahrhundert am historischen Beispiel Englands, als die Industrialisierung zu starken sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen führte (vgl. Polanyi 1957). Tiefgreifende Transformationen des gesellschaftlichen und politischen Systems haben aber auch unter anderem in Ostdeutschland nach 1989 im Zuge der Wende und Wiedervereinigung stattgefunden (vgl. Döbert et al. 2002). Transformation wird im Kontext nachhaltiger Energiegewinnung (vgl. u. a. Weyer 2010), Digitalisierung der Wirtschaft (vgl. z. B. Bertschek/Briglauer 2018), aber auch des Strukturwandels im ländlichen Raum hin zu einer zunehmenden Urbanisierung (vgl. Bätzing 2001) beschrieben. Seit 2009 fokussiert sich die deutsche Nachhaltigkeitsdebatte immer stärker auf die Transformation hin zu einer nachhaltigen Gesellschaftsordnung (vgl. Brocchi 2021). Die Frage, ob dies „by desaster or by design“ (Wackernagel 2014) geschieht, durch Mitgestaltung oder Notwendigkeit, Selbstermächtigung und Verantwortung, Demokratie und Partizipation, wird in vielen Studien thematisiert und diskutiert (vgl. u. a. Leggewie/Welzer 2009).

Sowohl Ökodörfer als auch politische Kommunen würden sich in ihrem Selbstverständnis als Projekte beschreiben, die den politischen und gesellschaftlichen Wandel durch Vorbildfunktion vorantreiben möchten (vgl. Wagner 2013, S. 50 f.). Die Intention und transformative Ausrichtung des Globalen Ökodorfnetzwerks/Global Ecovillage Network (GEN) hat sich auf den Begriff der Regeneration geeinigt (vgl. GEN International 2021). Regeneration ist hier im Sinne des Designens einer regenerativen Kultur zu verstehen (vgl. Wahl 2016).

Sowohl Ökodörfer als auch politische Kommunen würden sich in ihrem Selbstverständnis als Projekte beschreiben, die den politischen und gesellschaftlichen Wandel durch Vorbildfunktion vorantreiben möchten.

Das Ideal und die transformatorische Richtung der Ökodorfbewegung ist es also, als eine menschliche Gemeinschaft in Harmonie und Frieden – untereinander und mit anderen, einschließlich einer neuen Mensch-Natur-Verbindung (vgl. Riechers et al. 2021) in Bezug auf die ökologische Nachhaltigkeit – zu leben.

Ökodörfer, die sich mit GEN assoziieren und sich dieser Vision zugehörig fühlen, haben die Mission, einen positiven Einfluss auf die Umwelt zu nehmen und zur ökologischen Regeneration beizutragen (vgl. GEN 2014). Dieses Ziel versuchen sie, durch diverse Praktiken, Rituale, materialisierte Partizipation (vgl. Marres 2016) und Bildung umzusetzen.

Bildung in und durch Ökodörfer im ländlichen Raum

Intentionale Gemeinschaften, Ökodörfer und politische Kommunen sind nicht nur prefigurative Experimente von nachhaltiger und gemeinschaftlicher Lebensweise, sondern haben explizit den Anspruch, als alternative, aktive Lernräume einen nachhaltigeren Lebensstil zu gestalten bzw. zu verbreiten. Dies tun die Gründer*innen und Bewohner*innen nicht nur intern, sondern sie wirken, zumindest teilweise, auch transformativ in ihre Umgebung und darüber hinaus in die Mehrheitsgesellschaft hinein. Eine erhöhte gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeitsthemen weckt bei einer wachsenden Anzahl an Menschen eine Offenheit dafür, die Erkenntnisse aus Ökodörfern innerhalb der eigenen Lebensumstände zu adaptieren (vgl. Litfin 2014).

Das Ideal und die transformatorische Richtung der Ökodorfbewegung ist es also, als eine menschliche Gemeinschaft in Harmonie und Frieden – untereinander und mit anderen, einschließlich einer neuen Mensch-Natur-Verbindung in Bezug auf die ökologische Nachhaltigkeit – zu leben.

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Ökodörfer nicht nur mit ökologischer Nachhaltigkeit experimentieren, sondern auch durch andere Formen der bewussten Kommunikation die zwischenmenschlichen Beziehungen der Bewohner*innen untereinander stärken. Kommunikation und Verbindung mit der lokalen Natur dient dazu, zu einer neuen Mensch-Natur-Verbindung anzuregen und neue soziale Strukturen zu schaffen, die in den meisten modernen Gesellschaften nicht vorhanden sind (vgl. Wagner 2013, S. 216 ff.; Lifitin 2014; Singh et al. 2019; Schwab 2020). Während zu Beginn die Gründer*innen von Ökodörfern die Idee verfolgten, dass in der Zukunft alle Menschen in irgendeiner Form von Ökodörfern leben sollten (vgl. Wagner 2013; Litfin 2014), hat sich dieses Ziel weitgehend zu einem neuen Verständnis im Sinne eines Reallabors entwickelt, in dem eine Alternative durch die Verbindung, die Integration und den Austausch von Ideen und Innovationen ausprobiert und vorgelebt wird.

So wird es immer wichtiger zu erkennen, welche Ideen, Innovationen und Praktiken für eine nachhaltige gesellschaftliche Transformation aus Ökodörfern hervorgehen und auf den Rest der Gesellschaft übertragen werden können.

Strohballenhaus im Ökodorf Sieben Linden in Sachsen-Anhalt Foto: Steffen Emrich

80 % aller Ökodörfer weltweit betreiben einen Bildungsbereich, in dem sie ihr experimentelles Wissen an interessierte Menschen weitergeben (vgl. GEN International Impact Assessment 2022). Die Plattform des Projekts „Lernorte für morGEN“ spiegelt einen Ausschnitt der Vielfalt der Bildungsangebote wieder, die von verschiedenen deutschen Ökodörfern ausgehen (vgl. https://lernorte.gen-deutschland.de; Zugriff: 15.12.2022). Auf dieser Plattform werden die Seminare verschiedener Ökodörfer Deutschlands regelmäßig aktualisiert.

So bietet z. B. das Ökodorf Sieben Linden in Sachsen-Anhalt Seminare über Strohballenbau, nachhaltigen Projektdesign etc. an. Auch können in den meisten Ökodörfern Seminarräume und die ökologische Seminarhausumgebung für andere Bildungsangebote gebucht und genutzt werden. Ein Beispiel bietet das Projekt ILA Werkstatt des Wandels und das I.L.A. Kollektiv, das in den vergangenen Jahren immer wieder Bildungsangebote für Erwachsene in diversen Ökodörfern Deutschlands platziert hat (Schloss Tempelhof, Kommune Niederkaufungen, Sieben Linden etc.) und hier unter anderem Veröffentlichungen, aber auch nachhaltige lokale Projekte entstanden sind (vgl. https://ilawerkstatt.org; Zugriff: 15.12.2022). Innerhalb dieses Projektes hat politische Erwachsenenbildung in einem transformativen Umfeld stattgefunden. Gleichzeitig entstanden zahlreiche Materialien, Texte, Bücher und Projekte, die sich mit dem Themenkomplex der globalen Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit mit einer politischen und normativen Richtung auseinandersetzen (vgl. u. a. I.L.A. Kollektiv 2019; Korn et al. 2022). Weitere Beispiele wären Workshops aus dem Zusammenhang „Bildung trifft Entwicklung“, Treffen und Workshops aus dem Kontext des SolaWi Netzwerks u. v. a.

In den Ökokörfern gibt es eine Rundumversorgung mit lokalem, biologischem, oft veganem oder vegetarischem Essen aus dem eigenen Anbau, Komposttoiletten, die jahrelang erprobt funktionieren, und eine vollkommen auf Nachhaltigkeit ausgelegte Lebensweise, die gemeinschaftlich strukturiert ist. Es ist eine Lernumgebung im Sinne eines Möglichkeitsraumes für nachhaltige und politische Lebensweisen.

Intentionale Gemeinschaften, Ökodörfer und politische Kommunen sind nicht nur prefigurative Experimente von nachhaltiger und gemeinschaftlicher Lebensweise, sondern haben explizit den Anspruch, als alternative, aktive Lernräume einen nachhaltigeren Lebensstil zu gestalten bzw. zu verbreiten.

Ein weiteres Ökodorfbeispiel ist der Lebensgarten Steyerberg, eines der ersten und ältesten Ökodörfer Deutschlands. Neben zahlreichen Bildungsangeboten im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung bietet es eine Schule für Mediation und gewaltfreie Kommunikation und ein großes Permakultur-Projekt, das als Lernort mit breitem Angebot fungiert. Gemäß der gemeinschaftlichen, ökologischen Lebensweise kann hier auch die erste öffentliche Solartankstelle Europas mit dem ersten Elektro-Car-Sharing in Deutschland im ländlichen Raum (seit den 80er Jahren) begutachtet werden. Ob dies politisch ist, kann hinterfragt werden. In jedem Falle ist die Haltung ausgerichtet auf Nachhaltigkeit.

In dem Kommunennetzwerk Interkom-Kassel finden drei Mal im Jahr die sogenannten Interkommune-Seminare (IKS) statt. Das Netzwerk besteht aus sechs Kommunen (Kommune Niederkaufungen, gASTWERKe, Lebensbogen, Villa Locomuna, Lossehof, Mensch Meierei). Hier können Interessierte mehrere Kommunen und deren Art und Intention zu leben kennenlernen und innerhalb von Workshops zu Themen wie Kommunikation in Gemeinschaften, kollektive Arbeitsweisen, gemeinsame Ökonomie, Entscheidungsfindung über die Werte dieser Lebensweise informiert werden und praxisnahes Wissen erwerben und reflektieren.

Bildung in Ökodörfern kann daher auf zweierlei Arten geschehen: durch die Angebote der Ökodörfer selbst oder durch die immersive Nutzung der experimentellen nachhaltigen Infrastruktur für Bildungsangebote jeglicher Art.

Kooperationen mit lokalen und regionalen Autoritäten für lokale und regionale Veränderungsprozesse

Für eine interessierte Zivilgesellschaft und ein internationales Publikum bieten Ökodörfer bereits Lernräume. Allerdings gestaltet es sich schwierig und langwierig, die dörfliche Umgebung für eine nachhaltigere Lebensweise zu sensibilisieren und die Kultur vor Ort zu wandeln. Häufig bedürfen derartige Prozesse mehrere Jahrzehnte (vgl. Schwab 2020). Die Skalierung der nachhaltigen Praktiken in Ökodörfern in andere Ebenen des politischen Systems, wie zum Beispiel die Lokalpolitik, bedarf daher gezielter Strategien und passiert nicht automatisch. In meiner ethnographischen Untersuchung des Lebensgartens Steyberberg wurde deutlich, dass die Integration und Akzeptanz innerhalb der Samtgemeinde über 30 Jahre hinweg verbessert werden konnte und ein gegenseitiger Adaptionsprozess stattgefunden hat (vgl. ebd.). Die Teilnahme an lokalen Traditionen wie die aktive Mitgliedschaft einzelner Bewohner*innen in bestehenden Ortsvereinen wie Feuerwehr oder dem Sportverein und am lokalen Weihnachtsmarkt mit den Produkten vom Ökodorf oder dem Adventssingen, sind einige Beispiele einer gegenseitigen Enkulturalisierung. Andersherum bieten Tage der offenen Tür, Flohmärkte, Geschenkeläden, Hofläden zum Einkauf lokaler Produkte oder offene Kulturveranstaltungen Synapsen, durch die sich auch Menschen aus dem Dorf der alternativen Kultur nähern. Diese gegenseitigen Adaptionsprozesse führen allerdings dazu, dass die transformativen Gemeinschaften ein Stück weit ihre Innovativität einbüßen und sich den gesellschaftlichen Konventionen annähern. Transformation und Adaption ist also ein wechselseitiger Prozess.

Festzuhalten ist, gelingende Kommunikation und Kooperation mit lokalen Stakeholdern sind notwendige strategische Entscheidungen, um innovative Bauvorhaben, z. B. in Form von Kleinwindrädern, Komposttoiletten, Bauwagenplätzen etc., durchzusetzen oder auch E-Ladesäulen im Dorf zu platzieren oder einen Waldkindergarten, eine Freie Schule etc. zu etablieren. Als Initiative aus einer intentionalen Gemeinschaft heraus bedarf es einer guten Zusammenarbeit mit den lokalen Stakeholdern. Das Ökodorf gASTWERKe in Escherode in der Nähe von Kassel bietet hier Beispiele gelingender Kooperation: die langjährige Mitgestaltung des dörflichen „Trecker-Stammtisches“ eines Bewohners des Ökodorfes, die ehrenamtliche Führung der Ortsbibliothek oder die Wahlbereitschaft für den Orts- und den Gemeinderat: Es sind wichtige Andockpunkte, in denen Ökodörfler Verbindungen zur lokalen Kultur schaffen und gleichzeitig ihre eigenen Interessen und Werte lokal einbringen können.

In dem Projekt Zukunftsfähige Dörfer haben einige Ökodörfer aus dem Deutschen Ökodorfnetzwerk GEN mit Dörfern aus ihrer Umgebung Partnerschaften aufgebaut. Innerhalb dieser haben sie mit Methoden und Innovationen aus Ökodörfern die Partnerdörfer in dem eigenen partizipativen Nachhaltigkeitsprozess unterstützt.

Der Wunsch nach dem Leben in einer friedlichen, sozial gerechten und nachhaltigen Gemeinschaft ist groß. Foto: Steffen Emrich

Weiterhin hat sich mit der Kommunikation und Kooperation zwischen lokalen Stakeholdern und gemeinschaftsbasierten Initiativen das internationale ERASMUS+ Projekt Ecovillage Transition in Action auseinandergesetzt. Aus verschiedenen europäischen Ländern haben Praxisakteure aus Ökodörfern und dem GEN-Netzwerk sowie Wissenschaftler*innen kooperiert, um diese Zusammenarbeit zu untersuchen und zu unterstützen. Es hat sich gezeigt, dass gerade die Art und Weise der Kommunikation wichtig ist, um einerseits die Bahn für lokale Projekte zu ebnen, die über das Ökodorfprojekt in das Dorf und die Region hineinreichen, aber auch, um darüber hinaus gesellschaftlich transformativ zu wirken und eine breitere Öffentlichkeit in das Verständnis von nachhaltiger Lebensweise mit einzubinden. Es wurden auf der Basis von zahlreichen Praxisbeispielen und Interviews Materialien erstellt, wie lokale Zusammenarbeit gelingen kann (vgl. https://ecovillage.org/ecovillage-transition-in-action-2; Zugriff: 06.01.2023).

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Ökodörfer nicht nur mit ökologischer Nachhaltigkeit experimentieren, sondern auch durch andere Formen der bewussten Kommunikation die zwischenmenschlichen Beziehungen der Bewohner*innen untereinander stärken.

Der bereits erwähnte Lebensgarten Steyerberg in Niedersachsen ist ein Beispiel einer gelingenden Kooperation von lokalen Akteuren, dem Bürgermeister und dem Gemeinderat und zeigt, wie diese das Dorf und die Region bereichern kann. Hier sind Ökodorfbewohner*innen unter anderem beratend im Gemeinderat aktiv, haben Zugang zu den lokalen Vereinen gefunden und wenden sich mit ihren Anliegen und innovativen Ideen regelmäßig an den Bürgermeister, der sie freundlich und offen empfängt (vgl. Schwab 2020). Nicht zuletzt aufgrund dieses engen Austauschs wurde Steyerberg im Jahr 2014 niedersächsische Klimakommune (Beispieldorf beim Klimagipfel in Paris) und ist Teil der Internetplattform Zukunftskommunen. Solche Erfolge tragen zu einer Sichtbarkeit und Wertschätzung des Engagements in der Region bei.

Lokaler und regionaler Wandel braucht Schlüsselakteure auf politischer Ebene, innerhalb von Verbänden und der Wirtschaft, mit denen auf Beziehungsebene über die Notwendigkeit der nachhaltigen Transformation gesprochen und gearbeitet werden kann.

Herausforderungen und Gefahren der gemeinschaftsbasierten Entwicklung

Die Idee der Transformation durch Gemeinschaft im ländlichen Raum wird auch durch völkische Bewegungen adaptiert und Ansiedlungen von rechten „Volksgemeinschaften“ sind in nahezu allen Bundesländern zu finden (vgl. Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen e. V. 2020). die Bereiche Natur-, Heimat-, Tier- und Volksschutz denkt die völkische Bewegung schon seit dem 19. Jahrhundert eng zusammen. Die völkisch-nationalistische Politik beschränkt sich nicht nur auf Parteien und Wahlen, sondern intendiert eine radikale Umformung von Gesellschaft und Politik. Gerade völkische Jugendarbeit sei nicht zu unterschätzen. „Ziel sei es, Kinder und Jugendliche gegen die bundesdeutsche Gesellschaft zu immunisieren.“ (Röpke 2020a) Die Jugendorganisation Sturmvogel – Deutscher Jugendbund sozialisiert Jugendliche innerhalb von Zeltlagern und anderen in Vereinen organisierten Zusammenkünften (vgl. Röpke 2020b, S. 15). Weiterhin gibt es auch sogenannte Öko-Aussteiger innerhalb völkischer Wohngemeinschaften, wie der Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e. V., die sich treffen um heidnische Familien- und Jahresfeiern abzuhalten um die Wiederkehr diverser Glaubensrichtungen und Lehren zu feiern. „Kultur ist Politik“ (vgl. Röpke 2020c, S. 21).

Auch die Anastasia-Bewegung ist gemeinschaftsbasiert und siedelt sich im ländlichen Raum an. Die Menschen glauben an die Weisheiten und Lehren der zehn Anastasia-Bücher und sind lose vernetzt (vgl. Duwe 2020). Verschwörungstheoretische Weltbilder über den „modernen Menschen“, der über Informationen und Medien gesteuert werde, und die Hinwendung zu der Ideologie „Weda Elysia“, einem antidemokratischen Projekt, bieten Schnittstellen zur Reichsbürgerbewegung (vgl. ebd., S. 37). Sie vernetzen sich auch mit anderen Aktivist*innen der rechten Szene. Es hat sich selbst ein völkisch geprägter, zertifizierter Ökoloandbau entwickelt (vgl. Kauhausen/Passeick 2020).

Lokaler und regionaler Wandel braucht Schlüsselakteure auf politischer Ebene, innerhalb von Verbänden und der Wirtschaft, mit denen auf Beziehungsebene über die Notwendigkeit der nachhaltigen Transformation gesprochen und gearbeitet werden kann.

Diese rechten und nationalistischen Arten von Gemeinschaften haben ebenso einen transformatorischen, als auch politischen Bildungsanspruch. Netzwerke wie GEN und Kommuja setzen sich intensiv damit auseinander und grenzen sich explizit von diesen Gruppen ab; trotzdem ist deren Wirkmächtigkeit nicht zu unterschätzen.

Transformation und Bildung im ländlichen Raum

Intentionale gemeinschaftsbasierte Initiativen sind nicht per se die Antwort auf alle Fragen und die Wurzel der Transformation hin zu der „richtigen Gesellschaft“ – wenn es dies denn überhaupt im „Falschen“ geben kann (vgl. Adorno 1997, S. 43). Und tatsächlich sind alle ökologischen Siedlungen, auch Kommunen mit gemeinsamer Ökonomie, mit grundsätzlichen Systemanforderungen konfrontiert, wie zum Beispiel der Notwendigkeit von Erwerbsarbeit und anderen politischen Regulierungen: sei es die Pflichtanzahl an PKW-Stellplätzen für Gebäude, die rechtlichen Rahmenbedingungen für z. B. Komposttoiletten oder Schwierigkeiten, das Haushaltseinkommen und die Haushaltsgröße zu berechnen (z. B. für Transferleistungen, GEZ-Gebühren oder steuerliche Veranlagungen).

Es kann davon ausgegangen werden, dass jeder intentional gegründeten Gemeinschaft eine starke transformatorische Vision zugrunde liegt, denn ein Gründungsprozess ist aufwändig. Diese Vision ist ausschlaggebend dafür, welche Menschen sich diesem Projekt zugehörig und davon angezogen fühlen. Eine transformatorische Gemeinschaft bietet einen Möglichkeitsraum, um eine Umwelt zu gestalten, in der bestimmte – zum Beispiel sozial-ökologische Lebensweisen – möglich werden. Die existierenden Experimentierfelder können als materielle Partizipation (vgl. Marres 2012) und somit gestaltende Politik und Selbstverwaltung angesehen werden und auch als Lehr- und Lernorte dienen.

Transformative Gemeinschaften können eine Keimzelle für eine neue Gesellschaftsform sein, in der Experimente für eine nachhaltige Lebensweise ggf. skaliert werden können. Jedoch gilt es von Anfang an und immer wieder, genau diese Werte, Visionen und Experimente zu prüfen, zu evaluieren und weiterzuentwickeln. Das Potenzial für diese Lernorte ist längst noch nicht ausgeschöpft. Es kann sowohl durch Exkursionen in formale Bildungsinstitutionen, wie Hochschulen und Schulen, als auch in informelle Lernformate noch besser integriert und genutzt werden.

Zur Autorin

Dr. Anne-Kathrin Schwab arbeitet an der Universität Vechta als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Ökonomie der Nachhaltigkeit und forscht in verschiedenen Projekten zur Nachhaltigen Entwicklung und Transformation im ländlichen Raum. Ihre Doktorarbeit über das Thema: „Transformation im ländlichen Raum. Ein Ökodorf und seine Wirkung in der Region.“ Schrieb sie im Lebensgarten Steyerberg, in dem sie drei Jahre für ihre Forschung, aber auch darüber hinaus, lebte. Sie lebt derzeit mit ihrem Sohn in der „Villa Locomuna“, einer intentionalen Gemeinschaft mit gemeinsamer Ökonomie in Kassel und ist im Globalen Ökodorfnetzwerk GEN in diversen Projekten involviert.
anne-kathrin.schwab@uni-vechta.de

Literatur

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Bertschek, Irene/Briglauer, Wolfgang (2018): Wie die Digitale Transformation der Wirtschaft gelingt. In: ZEW policy brief No. 5/2018
Brocchi, Davide (2021): Die Große Transformation der Stadt. Gelebte Demokratie als Motor sozial-ökologischen Wandels. In: Ethik Journal 7. Jg., Ausgabe 1/2021; www.ethikjournal.de/fileadmin/user_upload/ethikjournal/Texte_Ausgabe_2021_1/Brocchi_Ethikjournal_1.2021.pdf (Zugriff: 09.01.2022)
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