Außerschulische Bildung 1/2021

Was für ein Jahr! – Politische Bildung in Zeiten der Pandemie

Ein Rückblick auf das Jahr 2020

Unsicherheit, Lockdown, Solidarität, eingeschränkte Grundrechte, Bazooka, existenzielle Nöte, Querdenker, Hygienekonzepte, Kurzarbeit, Digitalisierung – wer hätte gedacht, dass diese Begriffe den Beginn des neuen Jahrzehnts prägen sollten? Dabei begann 2020 – auch für die Träger und Einrichtungen der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung – ganz normal und gewohnt. Die Planungen für das Jahr standen fest, Seminare, Workshops, Projekte, Austauschmaßnahmen, Tagungen und Fortbildungen waren konzipiert, Kooperationen geschlossen, Bildungsstätten gebucht, erste Angebote im Januar und Februar gestartet. Dann kam der März und mit ihm der erste Lockdown, und es zeigte sich schnell, dass alle Planungen vergebens und alle Gewissheiten dahin waren. von Ina Bielenberg

Die Träger und Einrichtungen der politischen Bildung wurden vom Pandemiegeschehen und seinen Folgen ebenso überrollt wie alle anderen Bereiche des gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Lebens. Und wie in allen anderen Bereichen auch warf die Entwicklung ein helles Licht auf die schon vorhandenen strukturellen Probleme und Defizite, machte aber ebenso die Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten des Arbeitsfeldes sichtbar.

Die Fragilität der Strukturen

In Krisensituationen, diesen Eindruck konnte man im ersten Halbjahr 2020 gewinnen, schienen überwiegend staatlich institutionalisierte Bildungseinrichtungen wie Schulen Systemrelevanz beanspruchen zu können. Alle anderen Räume (politischer) Bildung, sprich gemeinnützige, zivilgesellschaftliche Einrichtungen wie z. B. Bildungsstätten, waren in diesen ersten Monaten des Jahres nicht im Fokus des politischen Handelns, zumindest auf Bundesebene. In den Bundesländern stellte und stellt sich die Situation differenzierter dar. Während in einigen Bundesländern wie z. B. NRW und Niedersachsen den Trägern und Einrichtungen schnell und relativ unkompliziert geholfen wurde, warteten die Einrichtungen beispielsweise in Berlin bis zum Jahresende auf finanzielle Unterstützung. Dabei waren und sind auch die außerschulischen Träger und Einrichtungen von den pandemiebedingten Schließungen und/oder Einschränkungen existenziell betroffen. Monatelang fanden und finden keine oder nur sehr eingeschränkt Bildungsmaßnahmen statt, an die Durchführung internationaler Begegnungen und Austauschmaßnahmen mit Jugendlichen oder Multiplikator*innen war/ist so gut wie nicht zu denken.

Dabei bedeutet die Schließung der Einrichtungen für die Träger einen immensen finanziellen Verlust: Zimmer können nicht belegt, Teilnehmerbeiträge können nicht erhoben, pädagogisches Material nicht verliehen, Dienstleistungen nicht erbracht werden. Gleichzeitig sind Kosten für Miete, Personal, Energie, Versicherungen etc. zu tragen. Und die Umsetzung der notwendigen Hygienekonzepte – Einzelbelegung auch im Mehrbettzimmer, Luftfilter, Desinfektionsmittel, Seifen, Putzmittel etc. – verursachen zusätzliche Kosten, wenn doch unter Auflagen Bildungsangebote gemacht werden dürfen.

Die in Europa einmalige Struktur politischer Bildung ist trotz aller Professionalität und Tradition fragil, im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Situation und auch im Hinblick auf ihr Standing in der Politik als demokratierelevante Bildungseinrichtungen.

Bund und Länder haben dann in Teilen reagiert und eine Reihe von Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg gebracht wie Überbrückungshilfen, Kredite und Sonderprogramme. Nicht alle waren hilfreich und/oder passfähig, da als Blaupause für ihre Erstellung wirtschaftliche Betriebe dienten und eben nicht gemeinnützige Einrichtungen. Nach intensiver Lobbyarbeit des AdB im Sommer 2020, gemeinsam mit anderen Verbänden wie dem Deutschen Bundesjugendring oder der Naturfreundejugend, wurde dann im Bund ein „Häuserprogramm“ verabschiedet (www.bmfsfj.de/sonderprogramm), das zumindest den schwer angeschlagenen Bildungsstätten (nicht nur der politischen Bildung) schnelle und unbürokratische Hilfe zukommen ließ.

Auch Richtlinien wurden flexibel an die veränderte Situation angepasst, so z. B. die Richtlinien der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und des Kinder- und Jugendplans des Bundes (KJP). Fast alle Einrichtungen haben zudem von der Möglichkeit der Kurzarbeit Gebrauch gemacht. Ob die Schließungen der Einrichtungen und der Teilbetrieb unter den Bedingungen von Abstands- und Hygieneregeln (z. B. keine Vollbelegung möglich) zu Einschnitten in die Struktur der Trägerlandschaft geführt haben, d. h. Einrichtungen auf Dauer ihren Betrieb einstellen müssen, wird sich im Laufe der kommenden Monate zeigen.

Schon jetzt hat sich aber gezeigt, dass wir in Deutschland zwar eine in Europa einmalige Struktur an Jugendbildungsstätten und internationalen Begegnungszentren, an Europahäusern und Bildungswerken, an politischen Stiftungen und Heimvolkshochschulen, an Akademien und Vereinen der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung haben, dass diese Struktur aber trotz aller Professionalität und Tradition fragil ist im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Situation und auch im Hinblick auf ihr Standing in der Politik als demokratierelevante Bildungseinrichtungen. Es bedarf einiger Anstrengungen, die Interessen und Nöte dieser Strukturen in Krisenzeiten in den Fokus politischen Handelns zu rücken. Angepasste Regelförderungen, Sonderprogramme und Kurzarbeit haben in 2020 geholfen die finanzielle Not zu lindern, die existenzbedrohende Situation zeitigt aber auch an anderer Stelle Folgen. So verlangt sie den Mitarbeitenden in den Einrichtungen ein sehr hohes Maß an Motivation und Loyalität ab, da – oft trotz reduzierter Arbeitszeit und trotz eines allzu oft bedrückend leeren Hauses – Anträge geschrieben, Unterlagen aufbereitet, Telefone besetzt, pädagogische Konzepte erdacht, Kooperationspartner kontaktiert und Hygienestandards umgesetzt werden müssen.

Die Schließung der Einrichtungen bedeutet für die Träger politischer Bildung einen immensen finanziellen Verlust. Foto: AdB

Sichtbar geworden ist aber auch ein hohes Maß an Solidarität der Träger und Einrichtungen untereinander. Die Austauschforen und Arbeitsgruppen, die der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten angeboten hat, waren immer sehr gut besucht, der Austausch offen, die Bereitschaft zur gegenseitigen Hilfe und Unterstützung uneingeschränkt. Auf diesem Weg konnte auch die Seite zum Corona-Krisenmanagement auf der Webseite des AdB (www.adb.de/corona-krisenmanagement) immer wieder gefüllt werden mit aktuellen Hinweisen auf Förderung, Tipps zur Beantragung von Kurzarbeit, Links auf Crowdfunding- und Spendenaktionen, Tools für das digitale Arbeiten usw. In der Zeit der Krise wurde somit auch der Wert der Zusammenarbeit in einem Verband noch einmal deutlich – einem Verband, der den Austausch organisiert, die Ergebnisse für alle nutzbar macht und auf politischer Ebene den gemeinsamen Interessen Gehör verschafft.

Jugend- und bildungspolitischer Rückschritt

Was aber neben den erheblichen Umsatzeinbußen einen bedrohlichen Schatten auf die politische Bildung und damit auf die Träger wirft, sind die langfristigen Folgen, die befürchtet werden müssen. Da ist zum einen das Aussetzen, zuweilen der Abbruch von Kooperationsbeziehungen. Partner, mit denen die Bildungsstätten und Bildungswerke über Jahre zusammengearbeitet haben, kommen aus bekannten Gründen nicht mehr. Werden die Kooperationen fortgesetzt werden können? Wird sich an die vertrauensvolle Zusammenarbeit anknüpfen lassen?

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Zusammenarbeit mit Schule, einer der zentralen Partner in der politischen Jugendbildung, Schaden genommen hat.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Zusammenarbeit mit Schule, einer der zentralen Partner in der politischen Jugendbildung, Schaden genommen hat. In den meisten Bundesländern sind den Schulen außerschulische Aktivitäten, gar Reisen, untersagt. Und das nicht nur in der akuten Phase der Pandemie, sondern teilweise bis zu den Sommerferien oder sogar bis zum Ende des Jahres 2021. Und dort, wo es nicht ausdrücklich verboten ist, findet trotzdem nichts statt, da Schulleiter*innen, Lehrer*innen und auch Eltern sich gegen außerschulische Aktivitäten aussprechen. Der 16. Kinder- und Jugendbericht hat diese Entwicklung aufgegriffen und urteilt: „Dies kommt einem ‚Shutdown‘ an außerschulischen Aktivitäten gleich, ohne dass die Kooperationspartner, geschweige denn die Kinder und Jugendlichen selbst die Chance gehabt hätten, sich dazu zu verhalten und beispielsweise Hygienekonzepte vorzulegen.“ (BMFSFJ 2020, S. 499) Begründet wird das Aussetzen außerschulischer Angebote nicht nur mit gesundheitlichen Risiken, die es selbstverständlich zu vermeiden gilt, sondern mit dem Hinweis, dass aufgrund des Homeschoolings nun ein besonderes Augenmerk auf die Hauptfächer und die sogenannten MINT-Fächer zu legen sei, um Defizite und Versäumnisse in diesen Bereichen aufzuholen. Diese Begründung verweist auf ein Verständnis von Schule und Bildung, von dem angenommen werden konnte, dass es überwunden sei. Es wird gar eine doppelte Reduktion sichtbar: Schule und Schulleben wird reduziert auf Unterricht, und Unterricht wiederum wird reduziert auf die „wichtigen“ Fächer. Politik, Geschichte, Sachunterricht gehören offenbar nicht dazu, und die in den letzten Jahren so oft als wertvoll beschriebene Zusammenarbeit mit außerschulischen Bildungsträgern und ihrem eigenständigen Angebot scheint ebenfalls verzichtbar. Damit tritt auch eine dritte Reduktion zutage: Kinder und Jugendliche werden auf ihre Rolle als Schüler*innen reduziert. Darüber hinausgehende Bedürfnisse, Selbstbildungsprozesse, Mitbestimmung und non-formale Strukturen spielen – wenn überhaupt – eine untergeordnete Rolle. Damit fällt das jugend- und bildungspolitische Handeln unter Corona-Bedingungen hinter lange geglaubte Selbstverständlichkeiten zurück und stellt das Zusammenwirken von schulischer und außerschulischer Bildung infrage. Wird der Rückschritt vom Rückschritt im neuen Jahr gelingen können?

Digitalisierung und politische Bildung

Nicht als Rückschritt, sondern als großer Fortschritt wurde in Medien und Öffentlichkeit der Digitalisierungsschub gefeiert, der in Folge von Lockdown und social distancing ausgelöst wurde. Unterricht fand online statt (oft mehr schlecht als recht), Homeoffice war das Gebot der Stunde, Sitzungen, Treffen und ganze Tagungen wurden und werden in den digitalen Raum verlegt. Auch in der politischen Bildung hat sich viel bewegt, die Träger und Einrichtungen haben kreativ, innovativ und mit Engagement, reagiert und ihre Angebote online gestellt: Es sind Webtalks entstanden, virtuelle Gedenkstättenbesuche, digitales Storytelling, historische online-Standrundgänge, Podcast-Reihen, thematische blogs und vieles andere mehr (siehe auch www.adb.de/digitale-bildung-im-adb). Wenn auch an dieser Stelle deutlich darauf hingewiesen werden muss, dass die Digitalisierung die Träger schon seit langem beschäftigt. Nicht erst im Zuge der Corona-Krise haben die Bildungseinrichtungen begonnen, politische Bildungsangebote auch für den digitalen Raum zu entwickeln und das Thema Digitalisierung selbst in den Fokus zu rücken. Als Weiterentwicklung kann es aber durchaus gewertet werden, dass neue Formate entstanden sind, die weit mehr sind als „Lückenfüller“ für ausgefallene Präsenzveranstaltungen, sondern als eigenständige, innovative Angebote einer politischen Medienbildung anzusehen sind.

Nicht erst im Zuge der Corona-Krise haben die Bildungseinrichtungen begonnen, politische Bildungsangebote auch für den digitalen Raum zu entwickeln und das Thema Digitalisierung selbst in den Fokus zu rücken.

So wichtig, richtig und dringend notwendig die Entwicklungsschritte im Digitalen sind, so scheint doch, gerade vor dem Hintergrund der existenzbedrohenden Notlage vieler Einrichtungen und für einen Verband, der Bildungsstätten im Namen führt, ein deutliches Dilemma auf.

Eine überwiegende oder gar vollständige Verlegung des Bildungsangebotes ins Netz würde das Aus für diese einmalige, über Jahrzehnte gewachsene Struktur der außerschulischen und außeruniversitären Bildungseinrichtungen für politische Bildung bedeuten. Diese Bildungseinrichtungen sind Orte der tatsächlichen, realen Begegnung. Sie bieten die Möglichkeit des Austauschs und die Chance, sich vertieft, auch über einen längeren Zeitraum und gemeinsam mit anderen, mit den Themen und Fragen auseinanderzusetzen, die notwendig sind, um Demokratie zu gestalten. Bildungsstätten sind auf die Bedürfnisse von sich Bildenden ausgerichtet und schaffen mit ihrem Personal das dafür notwendige pädagogische Setting. Erfahrungen aus den vergangenen Jahren haben gezeigt: Eine solch gewachsene Einrichtungsstruktur, einmal abgebaut, bedeutet, dass diese Struktur zerstört ist. Teilnehmende, Mitarbeitende, Knowhow, Kooperationsbeziehungen, Kontakte, Verbindungen in die Region, Erfahrungen und Tradition sind dann weg. Es ist nicht möglich, bei Bedarf eine kurzfristige Reanimation vorzunehmen, um dann auf gleichem Niveau nahtlos weiterzuarbeiten.

Es kann daher nicht um ein „entweder – oder“ gehen. Das Jahr 2020 hat gezeigt, dass politische Bildung und Digitalisierung sehr wohl zusammengehen, dass aber die Grenzen der digitalen Möglichkeiten für außerschulische Bildungsangebote mitgedacht werden müssen. Dazu gehören die bisher noch unbeantworteten Fragen, wie Nähe und Gemeinschaft im Online-Seminar herstellt werden können und wie das Sammeln von Bildungserfahrungen über Emotionen und Empathie im Rahmen digitaler Lernformate überhaupt realisierbar ist. Auch der Mehrwert an Bildung, der oft im Informellen liegt, im Gespräch beim Kaffee in der Pause mit dem Teilnehmer, den man gerade erst kennengerlernt hat, in der spannenden Diskussion am Abend, wenn sich die Eindrücke des Tages gesetzt haben, kann im Digitalen (noch?) nicht geleistet werden.

Eine überwiegende oder gar vollständige Verlegung des Bildungsangebotes ins Netz würde das Aus für die einmalige, über Jahrzehnte gewachsene Struktur der außerschulischen politische Bildung bedeuten (hier: schwimmender Seminarraum Jugendbildungszentrum Blossin e.V.). Foto: AdB

Gerade die politische Bildung lebt von gemeinsamen Erfahrungen, die in demokratisch gestalteten Bildungsräumen wie z. B. Bildungsstätten erlebt werden. Politische Subjektwerdung braucht Gemeinschaftserfahrungen und braucht Orte der Begegnung. Vor allem, weil politische Bildung deutlich mehr ist als die Vermittlung eines Bildungsgegenstandes, muss die Begrenztheit der digitalen Formate immer im Blick behalten werden.

Dazu gehört es auch, ausgesprochen achtsam zu sein, keine neuen Ausschlüsse zu produzieren. Zwar verfügen die meisten Jugendlichen und Erwachsenen heute über ein Smartphone oder ein anderes Endgerät, aber dies sichert mitnichten eine gleichberechtigte Teilhabe. Es braucht zudem ein stabiles Netz, was in vielen ländlichen Räumen noch immer nicht der Fall ist, für eine Teilnahme an größeren Veranstaltungen wie z. B. Online-Seminaren oder Tagungen besser einen Laptop oder PC, einen Bildschirm, evtl. Headset, Mikrophon, Kamera. Und es braucht natürlich ein gewisses Maß an technischen Kenntnissen.

Bildungseinrichtungen sind Orte der tatsächlichen, realen Begegnung. Sie bieten die Möglichkeit des Austauschs und die Chance, sich vertieft, auch über einen längeren Zeitraum und gemeinsam mit anderen, mit den Themen und Fragen auseinanderzusetzen, die notwendig sind, um Demokratie zu gestalten.

Untersuchungen zum Homeschooling im Lockdown haben gezeigt, dass der digitale Unterricht soziale Ungleichheiten deutlich verstärkt. Dieser Effekt darf sich in der außerschulischen politischen Bildung nicht wiederholen. Die Angebote müssen so konzipiert sein, dass sie z. B. auch für Menschen erreichbar sind, die über wenig Ressourcen verfügen, seien es finanzielle Ressourcen oder sei es kulturelles Kapital, oder für Menschen, für die Angebote, die ausschließlich auf deutsche Sprache setzen, gar keine Option sind.

Die im Pandemiejahr 2020 forcierte Entwicklung kann nur heißen, die Digitalisierung der politischen Bildung weiter voranzubringen, um neue Methoden und Formate zu entwickeln, und diese intelligent und gewinnbringend zu verzahnen mit Konzepten und Strukturen, die auf Begegnung und Austausch basieren.

Neue Themen durch Corona

In dieser Verzahnung von digitalen Angeboten mit Formaten, die Begegnung und Austausch ermöglichen, besteht Entwicklungspotenzial für die politische Bildung. Die Lernkurve in diesem Bereich zeigt bereits steil nach oben, nicht nur angesichts interessanter Formate, sondern auch im Hinblick auf verbandliche Aktivitäten wie hybride Gremiensitzungen, digitale Mitgliederversammlungen, mobile Arbeitsplätze etc. Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese Formen eine gute und gut angenommene Möglichkeit bieten, dass Leben eines Mitgliederverbandes auch unter den Bedingungen des Kontaktverbotes zu organisieren und aufrecht zu erhalten.

Angeregt durch die Entwicklungen in 2020 wurde aber nicht nur die Form von Tagungen, Fortbildungen und Seminaren verändert, auch mit der Pandemie verbundene (neue) Inhalte und Themen drängen sich auf, die alle Menschen gleichermaßen betreffen. Die Aufgabe der politischen Bildung ist es, sie aufzugreifen und in die Bildungsangebote zu integrieren. Dazu gehört zum Beispiel die Frage nach den Grundrechten und der Möglichkeit ihrer Einschränkung in Notsituationen, die sich verknüpft mit der Frage nach Legitimierungsprozessen und der Rolle der Parlamente. Auch die Rolle der demokratischen Zivilgesellschaft, die Möglichkeit der Mitsprache und Einflussnahme gerade auch von jungen Menschen sollte thematisiert werden. Eine große Herausforderung für die politische Bildung stellt auch das Aufgreifen von Verschwörungsmythen, ihrer Entstehung und Verbreitung dar, das verknüpft werden kann mit einer Auseinandersetzung mit wissenschaftlicher Forschung und Erkenntnis.

Corona bzw. die damit verbundenen Themen, zu denen neben den aufgezählten auch noch der Datenschutz, die Reichsbürgerbewegung sowie die Frage von nationalen Egoismen versus europäischer Solidarität gehören, bieten zahlreiche Anknüpfungspunkte für die politische Bildung. Deren Bearbeitung – digital oder analog – kann Menschen dabei unterstützen, mit der Krise konstruktiv und gestaltend umzugehen. Eine solche politische Bildung würde die Stärkung der demokratischen Gesellschaften in Krisenzeiten befördern.

Eine solche Stärkung der demokratischen Gesellschaft wiederum ist angesichts der großen anstehenden Herausforderungen, angesichts von Reichsbürgern auf den Stufen des Parlaments und Rechtspopulisten in den Parlamenten dringend geboten. Sie verdient daher jede politische, finanzielle und ideelle Unterstützung, damit es am Ende des Jahres 2021 im positiven Sinne heißt: Was für ein Jahr!

Zur Autorin

Ina Bielenberg hat Geschichte, Politik und Sozialwissenschaften studiert (M.A.). Von 1992 bis 2006 war sie in der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) tätig, zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin und später als stellvertretende Geschäftsführerin. Seit 2007 ist sie Geschäftsführerin des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten e. V.
bielenberg@adb.de

Literatur

BMFSFJ – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) (2020):Kinder- und Jugendbericht. Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter. Berlin: Deutscher Bundestag Drucksache 19/24200; www.bmfsfj.de/kinder-und-jugendbericht/gesamt (Zugriff: 10.01.2021)