Außerschulische Bildung 3/2022

Wie kann politische Bildung konsequent inklusiv gestaltet werden?

Fünf Fragen an den politischen Bildner Marco Rockert

Marco Rockert arbeitet unter anderem als politischer Bildner. Ihm ist es ein großes Anliegen, eine selbstbestimmte Sicht auf Behinderungen zu vertreten und dadurch Perspektivwechsel zu ermöglichen. Im Folgenden beantwortet er fünf Fragen, die ihm die „Außerschulische Bildung“ gestellt hat.

Aus meiner eigenen Geschichte kenne ich das Verhalten bzw. die Bedürfnisse beider Seiten – die eine Seite als Mensch ohne und die andere Seite mit Behinderung. Diese beiden Seiten divergieren in bestimmten Themen wie z. B. Sinnhaftigkeit, Umsetzbarkeit und Wertigkeit, was, aus meiner Wahrnehmung heraus, aus einem traditionsbestimmten Unverständnis herrührt. Aus diesen daraus resultierenden Erkenntnissen habe ich ein Verständnis für jede dieser zwei Gruppen und somit ist es mir möglich, als Mittler zwischen beiden zu agieren. Aus dieser Praxis heraus gestalte ich für mich eine wertfreie, wertschätzende und ressourcenorientierte Kommunikationskultur, die ich praxisorientiert stetig verfeinere. Emotionale Teilhabe ist gerade in der Kommunikation extrem wichtig und ist die Basis für erfolgreiches Gelingen. Umrahmt wird dieses Verständnis mit der Kombination meiner persönlichen Erfahrungen mit der Ausbildung als CAS(e)CO(oach), Referent für menschenrechtsbasierte Behindertenpolitik – Hinhören – Verstehen – Zusammenwirken. Meinen Erfahrungshorizont erweitere ich in der Fridjof-Nansen-Akademie des Weiterbildungszentrums Ingelheim als Referent in der politischen Bildung für das Thema Inklusion. Ich sehe diese meine Perspektive nicht als etwas Besonderes. Sie ist aus den täglichen Begegnungen und meinem Tun erwachsen, ist für mein Engagement als Inklusionsbotschafter und politischer Bildner enorm hilfreich. Das Wohl des Menschen und die Erfüllung seiner Bedürfnisse ist die Motivation meines Tuns.

Die größte Herausforderung ist meines Erachtens die Angst, Fehler zu machen und dass dadurch emotionale Verletzungen und Dramen entstehen, die Vorurteile oder Bewertungen schüren, statt diese abzubauen. Diese Angst wird durch den Irrglauben verstärkt, nachhaltige und gelebte Inklusion in der politischen Bildung sei ein langwieriges und schweres Unterfangen, was extrem viel Arbeit mit sich bringt. Dies hat zu Folge, dass aktuell zu wenig attraktive und konstruktive Aufklärungsangebote zur Sensibilisierung für das Thema Menschen mit Behinderung existieren. Vorhandene Angebote sind oftmals unattraktiv, zu kostenintensiv und in der Praxis unmöglich umzusetzen. Der extrem hohe bürokratische Aufwand in vermehrt unverständlicher Behördensprache erschwert diese missliche Angebotslage zusätzlich und dadurch kommt es, aus meiner Sicht, zu diesem Defizit im Bereich inklusiver Angebote in der politischen Bildung. Hierbei bedarf es aus meiner Wahrnehmung innovativer und praxisnaher Angebote in leichter Sprache mit leichter, direkter Umsetzbarkeit ins Alltagsgeschehen. Die größte Herausforderung und gleichzeitig das größte Defizit für eine inklusive politische Bildung sehe ich in der aktuellen Wahrnehmung der Gesellschaft und der Politik auf die Personengruppe von Menschen mit Behinderung. Aus dem Aspekt dieser Wahrnehmung sind Mauern entstanden oder entstehen immer noch, die es zunächst abzubauen gilt, um eine erfolgreich gelingende inklusive politische Bildung zu gestalten.

Das Angebot regelt die Nachfrage und jedes Werkzeug ist nur so gut/schlecht wie die/der Benutzer*in in der Lage ist, es zu nutzen. Aus meiner Erfahrung heraus ist es entscheidend, dass Werte wie Authentizität, Glaubwürdigkeit und Begegnung auf Augenhöhe gelebt werden – die Persönlichkeit/en der Agierenden von Einrichtungen tragen hier maßgeblich dazu bei. Ein klar definiertes und verständliches Bild bzw. Statement der Einrichtung zum Thema Inklusion ist meines Erachtens unumgänglich. Diese Rahmenbedingung schafft Klarheit und Sicherheit für alle Beteiligten. Mit bedarfsgerechten, leicht umsetzbaren und praxiserprobten Angeboten werden Verbindungen der Agierenden der Einrichtung, wie auch der Teilnehmer*innen geschaffen. Mit einem lebhaften Prozess von Agierenden der Einrichtung zusammen mit Teilnehmer*innen ist es möglich, Behinderung als Chance für die gesamte Gesellschaft zu erkennen. Aus diesem Zusammenwirken entsteht eine Sinnhaftigkeit des Tuns und unerkannte Ressourcen seitens der Einrichtung sowie der Teilnehmer*innen werden sichtbar. Diese Vorgehensweise fördert und stärkt die emotionale Teilhabe und das Gefühl der Bedeutsamkeit wächst Stück für Stück. Was gibt es Schöneres als das Gefühl, ein produktiver, anerkannter und beitragender Teil der Gesellschaft zu sein? Hat eine Einrichtung den ernsthaften Anspruch, einen Mehrwert für alle Mitwirkenden zu ermöglichen, und wenn sie diesen Anspruch auch spürbar umsetzt und lebt ist, meiner Meinung nach, der Weg für eine inklusive politische Bildung frei.