Außerschulische Bildung 1/2024

Zivilgesellschaftlicher Protest: (manchmal) politische Wirkung

In den letzten Wochen gab es eindrucksvolle Beispiele für Proteste: Erst legten Landwirt*innen mit ihren Treckern alles lahm, um eine Rücknahme der angekündigten Kürzung von Agrarsubventionen zu erwirken. Die Wirkung: ein Einlenken der Regierung, wenn auch aus Sicht der Protestierenden nicht ausreichend.

Diese – eher interessengeleiteten – Proteste waren kaum abgeklungen, da ging ein Aufschrei durch die Republik anlässlich der von AfD-Politiker*innen und Neonazis diskutierten Vertreibungspläne. Zivilgesellschaftlicher Protest war die Folge: Petitionen wurden millionenfach unterschreiben, überall Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in einer beispiellosen Größenordnung. Die Wirkung: Der Kampf gegen Rechts ist wieder ganz oben auf der politischen Agenda. Ob dies zu sinnvollen politischen Handlungen führt: noch unklar.

Das eine Beispiel illustriert einen durchaus häufigen Anlass für Protest: wenn es darum geht, eine politische Entscheidung (oft im letzten Moment) zu verhindern. Das andere Beispiel steht für die aus zivilgesellschaftlicher Perspektive durchaus schwierige Herausforderung, Themen auf die politische Tagesordnung zu setzen. Im Vergleich zu Lobbyverbänden und großen Wirtschaftsunternehmen gelingt es zivilgesellschaftlichen Organisationen oft nicht so leicht, Zugang zum politischen Prozess und zu Entscheidungsträger*innen zu erhalten. Sie müssen sich diesen erst erarbeiten – durch Demonstration von Relevanz, meist medial vermittelt. Protestereignisse sind dafür eine Möglichkeit – um überhaupt wahrgenommen zu werden, brauchen diese meist eine gewisse Größe oder anderweitige Besonderheit, z. B. in der Wahl der Mittel (Trecker, Ankleben …). Wenn sie denn wahrgenommen werden, können Proteste dafür sorgen, dass ein Thema auf die politische Tagesordnung kommt – und da endet meist der Wirkungshorizont der Proteste. Denn ab da kommt es darauf an, ob es in die Protestbewegungen hinein vernetzten Akteure gelingt, auch auf die Politikformulierung Einfluss zu nehmen. Doch so planvoll sind Protestbewegungen nicht immer.

Politische Bildung könnte durchaus helfen, legitimen zivilgesellschaftlichen Protest an manchen Stellen rationaler zu gestalten – und auch wirkungsvoller werden zu lassen. Es geht um grundlegendes Wissen über Politik – beispielsweise: Wie und von wem werden eigentlich politische Entscheidungen getroffen? Wer ist sinnvollerweise mit einer Forderung zu adressieren? Welche Formen der zivilgesellschaftlichen Einflussnahme, also auch Protest, sind an welcher Stelle sinnvoll und angemessen?

Ähnliche Fragen kann sich „die politische Bildung“ allerdings auch selbst stellen: Wenn es darum geht, in einer Situation des Erstarkens des Rechtsextremismus politische Bildung finanziell zusammenzustreichen, dann sollten sich auch Akteure der politischen Bildung fragen, ob bekannte Formate – freundliche Gespräche mit Entscheidungsträger*innen – noch angemessen sind, oder dies eine Situation ist, in der es – mit anderen Akteur*innen – auch mal heißen muss: Auf die Straße!